Nun ist mein letzter Beitrag fast schon ein halbes Jahr her. Erstaunlich lange. Kommt mir gar nicht so vor.
Seit meiner Rückkehr aus der Klinik war sehr viel los in meinem Leben. Ich musste erstmal wieder ankommen im Leben, im Alltag, im Hier und Jetzt. Vieles musste sich wieder neu einspielen. Einkaufen, mich ums Essen kümmern, putzen, Therapeuten suchen, mich um meine Firma kümmern, mich um mich selbst kümmern, möglichst viel Erlerntes aus der Klinik in den Alltag übernehmen, weiter an mir arbeiten, eine Balance zwischen Ruhe und Aktivität finden…. Ziemlich viel auf einmal.
In den letzten Monaten habe ich versucht, Struktur in mein Leben zu bringen. Möglichst zur gleichen Zeit aufstehen, mich waschen bzw. duschen, lüften und frühstücken. Dieser Ablauf ist jeden morgen der gleiche. Ganz konsequent. Egal, wie es mir grade geht. Den Rest des Tages kann ich freier verbringen und schauen, was für den Tag möglich ist und was nicht. Oft ändert sich mein Kraftlevel zum Teil noch relativ schnell. Fühle ich mich fit und fange nach dem Frühstück mit dem Alltag an kann es passieren, dass ich mich nach 1-2 Stunden schon wieder hinlegen und ausruhen muss. Und manchmal halte ich den ganzen Tag gut durch. Es schwankt noch sehr jeden Tag.
Das anzunehmen fällt mir oft noch extrem schwer! Ich hadere sehr damit. Es macht mich oft traurig zu wissen, was früher ging und wie es heute aussieht. Verabredungen und Treffen nehme ich mir oft schon gar nicht mehr vor, weil ich Angst davor habe, dass es mir an dem Tag durch den Termindruck und Stress sowieso nicht gut geht und ich dann absagen muss. Allgemein sind feste Termine für mich problematisch, weil sie mir so viel Druck machen. Damit kann ich noch nicht gut umgehen, weil es mir durch die momentane Depression und Erschöpfung auch körperlich nicht gut geht und ich mich ständig hinlegen und ausruhen muss. Vieles geht dann nur häppchenweise. Oder eben auch gar nicht. Oder sehr langsam mit vielen Pausen.
Diese Erschöpfung ist schwer zu ertragen. Sie lähmt mich und knockt mich immer wieder aus. Alleine morgens aus dem Bett zu kommen ist immer ein Kraftakt. Ja. Das alles sind Depressionssymptome. Besonders die Erschöpfung und die Antriebslosigkeit. Am liebsten würde ich den ganzen Tag im Bett bleiben und schlafen. Mache ich aber nicht. Meine festen Strukturen morgens helfen mir dabei, jeden Tag aufzustehen. Manchmal stelle ich mir morgens im Bett auch den Kaffeeduft vor. Das hilft tatsächlich, denn auf meinem Kaffee morgens freue ich mich immer. Das ist eine große Motivation. Auch die Tatsache, dass ich ihn mir jeden Morgen selber zubereite zeigt mir, dass doch noch einiges geht.
Meine Depression sagt mir gerne, dass ich doch eh nichts schaffe und nichts mehr alleine auf die Reihe bekomme. Sie ist da sehr hartnäckig, die Gute… Dann zeige ich ihr jeden Tag, dass sie im Unrecht ist und ich viel stärker bin, als sie mir einreden möchte. Oft mit dem Erfolg, dass es mir schon deutlich besser geht, wenn ich am Frühstückstisch sitze. Ich lasse mir beim Frühstück auch alle Zeit, die ich brauche. In der Regel sind es immer 45-60 Minuten. Die sind notwendig, um bei mir anzukommen und mich für den Tag zu motivieren. Dann räume ich immer den Tisch ab und die Küche auf. Auch das gehört morgens zu meinem festen Ritual. Das mache ich auch, wenn ich da keine Lust drauf habe. So schaffe ich mir jeden Morgen eine Möglichkeit, so gut es geht in den Tag zu starten. Mit allem, was möglich ist. Oder auch nicht.
Habe ich meine Routine morgens geschafft, ist es auch okay, mich anschließend noch für 1-2 Stunden aufs Sofa zu legen und mir etwas anzusehen. Mache ich aber nur selten. Meistens gehe ich in die Aktion; fahre in mein Büro oder packe Pakete und bringe sie zur Post, gehe noch einkaufen und spazieren. Das alles verbinde ich gerne und nutze den Flow, der dann entsteht. Und auch, wenn ich es nur mir hängen und würgen schaffe, hilft es trotzdem und mir geht es zumindest etwas besser. Danach gönne ich mir oft Ruhe, bevor es abends dann wieder von alleine etwas besser wird und ich mich auf den Balkon setzte oder eine zweite Runde spazieren gehe.
So in etwa sah mein Leben in den letzten Monaten aus. Seit meiner Rückkehr aus der Klinik war ich sogar schon zweimal alleine in Hamburg und einmal in Bremerhaven. Das waren sehr schöne Ausflüge, die Mut gemacht und mir gezeigt haben, dass ich oft viel mehr schaffe, als ich mir zutraue. Es ist schon ein großer Unterschied, ob ich mit meinem Mann unterwegs bin und wir Ausflüge machen, bei denen er fährt oder ob ich mich alleine in die große weite Welt traue. Letzteres stärkt mein Selbstvertrauen und die Selbstwirksamkeit. Mir geht es immer besser, wenn ich etwas allein schaffe oder mich für mich einsetze. Kommt diese Übung zu kurz, geht es mir wieder schlechter… Gelingt es mir, auch im Kleinen (ja, ich lerne ja dazu;-)), geht es wieder besser.
Das müssen dann nicht die großen Ausflüge nach Hamburg sein sondern oft reicht es, in mein Heimatdorf Worpswede zu fahren oder in meinen Lieblingswald, der mit dem Auto gut 20 Minuten entfernt ist. Das Gefühl von Heimat heilt meine Seele und zeigt mir auch sehr deutlich, was früher in meiner Kindheit alles auch schön war und gut gelaufen ist. Jedes Mal, wenn ich in Worpswede bin, fallen mir schöne Erinnerungen ein. Ob nun baden, Schlittschuh laufen, Schlitten fahren, picknicken, spazieren gehen, zusammen Zeit verbringen, reiten… All diese Erinnerungen waren lange Zeit verloren und begraben unter all der Trauer und den Traumata. Seit der Klinik kommen diese schönen, heilsamen Momente oft zurück. Ich spüre richtig, wie sie etwas in mir heile machen. Jetzt, wo ich offen dafür bin und sich die Trauer über meine verlorenen Jugendjahre langsam legt und zu heilen beginnt, bin ich bereit, Heilung auch zuzulassen und mich nicht mehr dagegen zu wehren. Es ist noch sehr schmerzhaft und schwer zu ertragen… Die Tränen fließen im Moment zahlreich und sehr oft. Ja. Heilung ist auch sehr schmerzhaft. Heißt es doch, mich noch einmal intensiv mit vielem auseinanderzusetzen, was passiert ist. Dieser Schritt muss leider sein und bringt noch einmal richtig viel Traurigkeit und Wut mit sich. Aber ohne diese Traurigkeit und diese Wut kann ich meinen Schmerz nicht überwinden und loslassen. Klingt vielleicht komisch aber besser kann ich es nicht erklären. Wenn diese starken Gefühle abflauen, ist ja plötzlich Raum für Neues. Für die Gegenwart. Das Leben im Hier und Jetzt.
„Mein neues Leben im Hier und Jetzt“ wird nun auch der neue Titel meines Blogs. Es wird weiterhin um meine Leben mit psychischen Erkrankungen gehen. Aber noch mehr um den Umgang damit. Noch mehr darum, wie es mir heute geht; das war bisher zwar auch schon der Fall aber mehr in Bezug auf meine Borderline Störung, die tatsächlich in den letzten Jahren durch viel Therapie deutlich besser geworden ist. Dafür stehen jetzt mehr die Depression und die posttraumatische Belastungsstörung im Vordergrund. Wie der Blog sich dann genau entwickelt, weiß ich selber noch nicht sondern lasse es auf mich zukommen. Auf jeden Fall freue ich mich, wenn ihr auch mit dabei bleibt. Auch, wenn es nicht jeden Tag einen neuen Beitrag geben wird. Bis bald, eure Nina