110. Beitrag

Und schon sind wieder zwei Wochen vergangen:-). Zwei Wochen mit einigen schlechten und gleichzeitig auch vielen guten Tagen und Momenten. Noch gibt es keine ganzen Tage, an denen es mir durchgängig gut geht. Dazu war dieses Jahr zu heftig. Aber genau deshalb weiß ich die guten Momente so sehr zu schätzen! Der warme Kaffee am morgen; das Gefühl, dadurch richtig wach zu werden; Spaziergänge und damit verbunden das Gefühl, dass viel Druck abfällt; Momente der Entspannung beim Backen, beim Puzzlen, Lesen, Musik hören, Putzen; Momente der Faszination, wenn ich abends in der Nähe des Hafens spazieren gehe und mich über all die schönen Lichter freue. Besonders, wenn aus den Stahlwerken eine Flamme den Himmel in ein tiefes Rot taucht und all die Industriegebäude, Kräne, etc. in ein romantisches Licht setzt…. So etwas fasziniert mich sehr! Es sind oft diese ganz kurzen, ungeplanten und schnell vergänglichen Momente, die so besonders sind. Die ich endlich wieder sehen und genießen kann… Ohne mein Antidepressivum, durch das ich die Welt und das Leben häufig nur gedämpft, wie durch einen Schleier, wahrnehmen konnte… Ich bin mir selber so unglaublich dankbar, dass ich es geschafft habe, das Antidepressivum abzusetzen! Dadurch habe ich so viel Lebensqualität gewonnen! Allein dadurch, dass ich nun all die kleinen Momente des Alltags wieder wahrnehmen und mich an ihnen erfreuen kann! Und letztendlich wieder mehr im Leben verankert bin.

Natürlich ist es ohne dieses Medikament oft auch schwer… Meine Wahrnehmung ist sehr geschärft…Dadurch bin ich oft überreizt und immer wieder mal überfordert. Besonders schwer auszuhalten ist die Geräuschüberempfindlichkeit. Das macht es mir nachts zusätzlich schwer zur Ruhe zu kommen… Trotz Ritualen und ein paar Tropfen meines Beruhigungsmittels. Hinzu kommt noch, dass es bei uns im Haus sehr hellhörig ist und sich zudem eine Bäckereifiliale im Haus befindet, die nachts mit Ware beliefert wird. Da ist es mit der Nachtruhe nicht mehr so weit her… Tagsüber höre ich auch permanent die Eingangstür der Bäckerei, die ständig ins Schloss fällt und mich extrem nervt… ich bin nun mal mehr zuhause als unterwegs. Da schließen sich bestimmte Dinge gegenseitig aus.. Darunter leide ich sehr! Zumal ich auch nicht weiß, was nun richtig ist… Auf Dauer werde ich mir mit Sicherheit eine neue Wohnung suchen. Andererseits habe ich hier alles, was ich brauche. Und nach wie vor ein Gefühl von zuhause sein! Das habe ich in den letzten Wohnungen nur selten bis gar nicht gefühlt. Das macht es mir sehr schwer, mir eine neue Wohnung zu suchen. Zumal ich diese Geräuschüberempfindlichkeit schon mein ganzen Leben miit mir rumschleppe… Somit würde ich sie auch mit in meine nächste Wohnung nehmen… Deshalb sehe ich langfristig nur eine Möglichkeit: Eine weitere Traumatherapie, da ich ja weiß, woher diese Anfälligkeit herkommt… Da werde ich mich jetzt intensiv drum bemühen.

Zum Glück habe ich meine Ergotherapeutin, die mich auch in dieser Problematik sehr unterstützt und mir dabei hilft mich zu stabilisieren, damit ich die Traumatherapie dann auch durchhalten und schaffen kann…. Wir haben dieses Jahr bei der Krankenkasse eine Langzeitverordnung beantragt, die nach wenigen Tagen bereits bewilligt war!!! Das war eine riesengroße Überraschung und macht mir sehr viel Mut und Hoffnung!! Damit hätte ich im Leben nicht gerechnet! Ich habe gedacht, dass es wieder mal nur ein einziger Kampf wird, die Verordnung zu bekommen, die ich so dringend brauche.. Überhaupt musste ich dieses Jahr so viele Kämpfe ausfechten und funktionieren…. Da war mit Leben nicht mehr viel… Deshalb habe ich jetzt wieder mehr Hoffnung auf Verbesserung meiner Lebenssituation und Lebensqualität! Bis Ende November darf ich nun einmal pro Woche zu meiner Ergotherapeutin gehen und mit ihr arbeiten. Kurzfristig haben wir für mich in Bezug auf die Geräuschüberempfindlichkeit schon einiges erreichen können: So habe ich die Möglichkeit, mich abends, wenn meine Nachbarn noch wach sind und mich diese Tatsache nicht zur Ruhe kommen lässt, eine zeitlang im Flur vor der Tür zu schlafen (auf einer richtigen Matratze). Das gibt mir dann den nötigen Abstand um wieder mehr zu mir zu kommen.

Durch die Gespräche in der Ergotherapie habe ich für mich auch (wieder mal) festgestellt, dass es mir auch in dieser speziellen Situation hilft, den Bezug zu mir zu halten. Sei es, dass ich die ganze Zeit meinen Igelball oder andere Gegenstände in der Hand behalte, öfter dusche als sonst, mir häufig eine Massage auf meiner Massageliege gönne, abwasche, puzzle, … Also alles dafür tue, damit ich mich spüren kann. Denn sobald ich mich nicht mehr spüre oder den Bezug zu mir verliere, schießt die Anspannung in unerträgliche Höhen… Und dann bin ich natürlich erst Recht gereizt und überempfindlich…. Also achte ich im Moment besonders darauf, das Anspannungsniveau so niedrig wie möglich zu halten um mich nicht ständig hochzufahren und dadurch permanent geladen zu sein. Das sind zum Glück alles Dinge, die ich selber für mich tun kann. Mittel und Wege des Umgangs mit meiner hohen Anspannung. All das habe ich in der Psychotherapie gelernt und wende es auch heute noch erfolgreich an. Darin unterstützt mich meine Ergotherapeutin auch: Sie hilft mir immer wieder dabei, mich an Erlerntes zu erinnern und das Wissen wieder anzuwenden. Und gleichzeitig neue, kurzfristige Lösungen für akute Probleme zu finden, wie zum Beispiel die Idee, im Flur zu schlafen bzw. zu ruhen. Das ist so unglaublich wichtig!! Langfristige Lösungen, wie die Traumatherapie, dauern nun mal… Kurzfristige Lösungen helfen, erleichtern und nehmen viel Druck und Anspannung! Das wiederum hilft dabei, keine wichtige Entscheidungen übers Knie zu brechen sondern auch mal eine zeitlang abzuwarten, zu beobachten, wahrzunehmen… Um dann langfristig zu sehen, wie es weitergeht. Zum Beispiel mit meiner Wohnung.

Es bleibt spannend:-). Nun wünsche ich euch ein erholsames, ruhiges und achtsames Adventswochenende. Bis bald,

eure Nina

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