55. Beitrag

Die Zeit rennt und rennt. Wo rennt sie eigentlich hin? Mir jedenfalls davon.

Zumindest habe ich das Gefühl. Konkret meine ich mit „die Zeit rennt mir davon“ die Zeit, die verstreicht- und immer länger wird- in der ich mich selber immer weniger wahrnehme und spüre. Mir fehlt momentan einfach die Zeit für Achtsamkeit. Die Achtsamkeit hilft mir, mich wieder zu erden; mich mit der Welt zu verbinden. Mich als Teil des Universums zu fühlen.

In den letzten Wochen habe ich die Achtsamkeit stark vernachlässigt… Habe ein wenig die Bodenhaftung verloren . Das habe ich heute erst in der Ergotherapie so richtig gespürt. Es war heute Thema und brach für mich doch recht plötzlich durch. In Form von Tränen. Es ist ja nicht so, dass ich es nicht schon im Unterbewusstsein wahrgenommen hätte… Ich spüre es zum Beispiel immer daran, wenn mir andere Menschen zu viel werden. Insbesondere Menschen, die mir Nahe stehen und die ich gerne habe. Ich kann mich dann nicht mehr richtig abgrenzen; brauche meine ganze Kraft und Energie dann nur noch für mich alleine. Zum Glück versichert mir meine Ergotherapeutin immer wieder glaubhaft, dass das kein egoistisches Verhalten ist. Sie hat da ordentlich Durchhaltevermögen und bestärkt mich darin auch immer wieder:-). Unterbewusst kommen zwischendurch immer mal wieder alte Schuldgefühle hoch. Die innere Stimme, die sagt:“ So kannst du dich doch nicht verhalten. Du bist verantwortlich dafür, dass es deinen Lieben gut geht.“ Gott sei Dank ist diese Stimme über die Jahre immer schwächer geworden. Ich habe gedacht, dass sie mittlerweile komplett eingeschlafen ist. Aber sie versucht hin und wieder mal ihr Glück;-).

Die ganz alten Gefühle, Verhaltensweisen und Gedanken möchten mich noch immer nicht ganz verlassen. Also versuche ich sie weiterhin als Teil von mir zu akzeptieren, ihnen aber nicht mehr die Macht zu geben, die sie einmal hatten. Und auch nicht mehr den Raum, den sie früher in Anspruch genommen haben. Achtsamkeit und Bewusstsein sind auch hier wieder die Schlagwörter. Ebenso die innere Bereitschaft, genau hinzusehen, um die alten Gefühle, Verhaltensweisen und Gedanken zu enttarnen und mit ihnen zu arbeiten. Sie entweder zu neutralisieren (hier helfen mir besonders die Verdeutlichung der Gegenwart und das erwachsen „Ich“, das in der Gegenwart verankert ist; und auch die Selbstwirksamkeit (heute kann ich mich jeden Moment bewusst für oder gegen etwas entscheiden) oder sie durch realistische Argumente zu überzeugen, dass sie in der heutigen Zeit keine Berechtigung mehr haben. Beides habe ich durch jahrelange Therapie gelernt und arbeite auch heute noch dran.

Leider ist es nämlich so, dass ich manchmal anfange, Erlerntes schleifen zu lassen und dadurch Gefahr laufe, wieder in alte Verhaltensmuster abzuruschen. Es ist und bleibt ein ewiger Kampf der alten Gewohnheiten und dem Wunsch nach Veränderung; nach Verbesserung der Lebensqualität und Verringerung der Leidenszeit. Ich bin ganz ehrlich, dass dieser Weg, das ständige Dranbleiben, oft sehr ermüdend und erschöpfend ist. Manchmal wünsche ich mir, dass Erlerntes nicht immer wieder von Altem angegriffen und sabotiert wird… Die Gefahr besteht nämlich permanent. Ähnlich wie bei Essgestörten oder trockenen Alkoholikern. Der Teufel sitzt ständig auf der Schulter und trietzt einen. Die Rückfallgefahr ist enorm hoch.

Ich finde es sehr wichtig, auch diesen Punkt mal anzusprechen. Nach außen hin sieht es oft anders aus. In den letzten Monaten habe ich soooo viel geschafft und erreicht! Habe sehr für mich gekämpft! Für meine Zukunft.Ja, ich habe mir endlich wieder eine Perspektive erarbeitet, sodass ich sagen kann: „Ich freue mich auf die Zukunft.“ Darauf habe ich lange hingearbeitet!! Nach außen hin konnte man es mir deutlich anmerken: Die Euphorie, die Freude, die Motivation; das Leuchten in meinen Augen; die Freude im Herzen. Das war alles echt:-)!! Eine tolle Zeit!! Nun hat sich aber alles wieder ein wenig normalisiert und eingependelt. Langsam spüre ich meine Grenzen, die ich in den letzten Monaten öfter überschritten habe… Ja, ich spüre langsam die Erschöpfung als logische Folge daraus. Die Euphorie ist aber nicht mehr so extrem. Zum Glück, denn die permanenten Hochgefühle sind fast noch anstrengender als die Tiefs… Nun ist also vieles wieder normal und ich habe oft das Gefühl, dass kein Mensch versteht, warum ich nicht ständig gut drauf bin; jetzt, wo ich wieder eine Perspektive habe und vieles gut ist. Vielleicht täuscht mich mein Eindruck auch?? Ich weiß es eben nicht. Ehrlich gesagt verunsichert es mich, nicht zu wissen, ob ich verstanden werde oder auch nicht… Deshalb habe ich mich ganz bewusst entschieden, über das Thema hier zu schreiben.

Wie soll man es als Außenstehender verstehen und begreifen, wenn man es als Betroffener kaum kann? Diese ständigen emotionalen Schwankungen und Stimmungen? Deshalb schreibe ich auch diesen Blog, um auch die Schwierigkeiten zu zeigen, die schweren Seiten, die man als Außenstehender nicht verstehen kann, da man nicht drinsteckt. Dieser Blog soll nicht zwangsläufig nur die schönen Seiten zeigen sondern eben auch die anderen Seiten.

Bevor ich nun komplett ausschweife werde ich nun Abendbrot essen:-).

Vielleicht hat ja die ein oder andere Person von euch Lust, mir über die Kommentarfunktion oder das Kontaktformular etwas über eure Außenwahrnehmung zu schreiben? Also mir vielleicht bei der Klärung meiner Fragen im letzten Kapitel zu helfen? Darüber würde ich mich sehr freuen:-)!!

Bis bald, eure Nina

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